Quelle: WESTFÄLISCHE NACHRICHTEN (erschienen am 23.03.2002)
Warendorf (kpz). Ganz Deutschland wurde von ihr bis ins Mark erschüttert: Die Veröffentlichung der Pisa-Studie hat tiefreichende Wunden hinterlassen. Konsequenzen wurden gefordert. Jedoch müssen nur Schulen, Kultusministerien und Bildungspolitik reagieren? Müssen nicht auch Nachhilfeanbieter aus der Pisa-Studie Konsequenzen ziehen? Die Westfälischen Nachrichten haben bei den vier in Warendorf ansässigen Nachhilfe-Dienstleistern nachgefragt, ob und wie reagiert worden ist.
Ich weiß nicht, warum für diese Feststellung eine Studie notwendig gewesen ist. Wir haben schon lange gewusst, dass es unseren Schülern an vielem fehlt, meinte Hannelore Zelleröhr, Leiterin des Studienkreises. Und mit dieser Meinung stand sie nicht alleine da, denn auch bei den drei anderen Nachhilfedienstleistern wurde diese Aussage getätigt. Die Pisa-Studie hat nicht überrascht und die Beobachtung des steigenden Nachhilfebedarfs hat uns im vergangenen Oktober dazu bewogen, das Schülerkolleg Borbe zu gründen, erläuterte Leiter und Dozent Harald C. Borbe. Studienkreisleiterin Zelleröhr erklärte: Wir haben die Feststellung gemacht, dass die Schüler nicht lernen, zu lernen. Sie sind einfach nicht in der Lage, selbstständig zu lernen. Gabriele Grahner, Leiterin der Schülerhilfe, meinte, dass durch Pisa auf enorme Schwächen der Schüler in der Lesekompetenz und im mathematischen Bereich hingewiesen worden sei. Und das hat mich überhaupt nicht überrascht, denn diese Schwächen sind mir aus der täglichen Praxis bekannt. Beispielweise habe die Schülerhilfe viele Nachhilfeschüler in Mathematik und bei diesen Schülern werde immer wieder festgestellt, dass sie Probleme beim Verstehen von Textaufgaben hätten. Klaus-Ulrich Rüping, Leiter der Schülerhilfe Barbarossa, urteilte: Die Schuld für die Ergebnisse der Pisa-Studie liegt einerseits beim Schulsystem, andererseits bei Schülern, Lehrern und den Eltern.
Trotz allem, so wurde allgemein bei den Warendorfer Nachhilfe-Dienstleistern festgestellt, mussten keine besonderen Konsequenzen gezogen werden, da die Lernkonzepte speziell für Problemschüler zugeschnitten wurden. Der Vorteil, den wir gegenüber Schulen haben, meinte Klaus-Ulrich Rüping, ist, dass wir im Lernstudio mit kleinen Gruppen arbeiten. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, dass die Dozenten individuell auf den Schüler und seine Schwächen eingehen können. Ebenso wird bei den anderen Nachhilfeanbietern in kleinen Gruppen gearbeitet.
Die Gruppen werden fachhomogen und dem Leistungsstand der Kinder entsprechend unterrichtet, betonte Studienkreisleiterin Hannelore Zelleröhr. Wir kennen ihre Schwächen und Lücken und gehen darauf ein. Ebenfalls gibt es Lerntechnikkurse im Programm des Studienkreises. In diesen Kursen wird vermittelt, wie gelernt werden muss, wie sich der Schüler am besten auf eine Klassenarbeit vorbereitet oder auch, wie der Arbeitsplatz gestaltet sein soll.
Gabriele Grahner, Leiterin der Schülerhilfe, betonte: Man muss die individuellen Probleme der Kinder dort anfassen, wo ihre Ursachen liegen. Wissenslücken müssen geschlossen werden. Nur so könne aus einem erfolglosen Schüler ein erfolgreicher werden.
Beim Schülerkolleg Borbe wird die Konzentration auf Motivationsförderung gelegt. Motivation ist die Basis. Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Lerntechnik, erklärte Harald C. Borbe. Wie werden beispielsweise am besten Vokabeln oder auch mathematische Formeln gelernt. Es solle kein stumpfes Auswendiglernen sein. Der Punkt ist das Verstehenlernen, das Begreifenlernen. In Punkto Motivation ist wichtig, dass der Dozent vorlebt, dass Shakespeare lesen, oder Chemie üben Spaß macht und kein staubtrockenes Material ist. Die Begeisterung für eine Sache müsse übertragen werden.
Zum Beispiel wurden die Schüler plötzlich von Macbeth gefesselt, weil der Dozent sich so in eine Szene hineinversetzte, dass er mit einem imaginären Schwert anfing, Macbeths Kämpfe durchzustehen. Der Unterricht beim Schülerkolleg Borbe werde fachspezifisch abgehalten, ab dem Ende der Mittelstufe komme noch hinzu, dass die Schüler durch Lehren lernen würden.
Durch Erklären des Stoffes werde festgestellt, ob die Schüler den Sachverhalt verstanden hätten. Eine weitere Prämisse sei, dass die Schüler nur rund ein Jahr betreut würden. Wir wollen unsere Kollegiaten nicht übermäßig lange behalten und erreichen, dass sie auch ohne unsere Hilfe gute Noten schreiben können.
Dieses Prinzip ist auch für das Lernstudio Barbarossa wichtig: Unser Ziel ist, dass unsere Schüler uns nicht brauchen, um in der Schule erfolgreich zu sein. Das Prinzip Lernen lernen ist auch für das Lernstudio Barbarossa von großer Bedeutung. Um das Lernen lernen zu können, muss zunächst festgestellt werden, was für ein Lerntyp der Schüler ist, sprich ob auditiv oder visuell. Bei jedem einzelnen Schüler wird hinterfragt, woran die Schwäche liegt und wo der Beginn der Lücke ist. Und dann kann auf die Schwäche eingewirkt werden, um sie auszubügeln.